Die Küche im Wandel der Zeit

Iria Degen im Interview

Sie gestaltet Häuser und Wohnungen der Luxusklasse mit einer klaren, konsequenten und stilsicheren Handschrift. Die Innenarchitektin Iria Degen über den heutigen Stellenwert der Küche.

Frau Degen, welche Kriterien bestimmen heute die zeitgemässe Küche?
Die voll integrierte moderne Technik ist ein wesentliches Zeichen der Zeit. Doch bereits in den letzten 10 bis 20 Jahren hat die Küche dank vieler Innovationen eine rasante Entwicklung zu verzeichnen. Es ist erstaunlich, was es heute alles an Haushaltgeräten und Features gibt. Beispiel: kochendes Wasser direkt aus der Küchen-Armatur. Trends wie das Kochen im Wok oder die Einführung der beliebten Teppan-Yaki-Platte setzen Akzente und spiegeln die heutige Multikultur und Globalisierung wider.

Die Küche hat sich in den letzten Jahren allmählich zum Wohnen hin geöffnet. Sind das Kochen und das Relaxen im Wohnzimmer überhaupt vereinbar?
Die offene Küche hat einen riesigen Vorteil und den spielt sie aus: Sie besitzt eine soziale Komponente! Wer auch immer kocht, bleibt mitten im Geschehen, bei der Familie und oder den Gästen. Natürlich muss man dafür vernünftige Rahmenbedingungen schaffen: Ohne einen starken, effizienten und gleichzeitig leisen Dunstabzug ist eine offene Küche schwer vorstellbar. Der Abzug sollte auch optisch nicht störend wirken. Das Thema Licht spielt selbstverständlich eine zentrale Rolle: Neben der angenehmen Grundbeleuchtung wird das Arbeitslicht in der Küche punktuell eingesetzt. So überstrahlt es nicht das Schummerlicht, das oft für eine angenehme Wohnzimmer-Atmosphäre sorgt. Warme Farben und Materialien sorgen für eine gute Stimmung. Um den Wohncharakter deutlich zu machen, lassen sich die modernen Elektrogeräte entweder sehr diskret platzieren oder bewusst als Eyecatcher einsetzen. Für einen betont einheitlichen Look wird der Bodenbelag vom Wohnzimmer aus bis in die Küche durchgängig gestaltet.

Die Küche hat an Stellenwert gewonnen. Heisst das automatisch, dass sie auch mehr Raum beansprucht?
Nein, denn die technischen Abläufe beim Kochen haben sich nicht geändert. Die Küche benötigt immer ein Minimum an Platz, wenn alles gut funktionieren soll. Besonders in kleinen Küchen ist jedoch eine intelligente Planung und Nutzung wichtig. Mein Credo lautet: Die Küche nicht ins Dunkel stellen, sondern dem Licht zuwenden! Die Spüle gehört zum Beispiel vor das Fenster. Und keine Schränke sollen den Blick aufs offene Wohnen verstellen. Mehr Raum geben heisst für mich vor allem, dass die Bauherren der Küche mehr Budget, mehr Planung, mehr Aufmerksamkeit schenken – und damit meist eine grössere Fläche.

Welche neuen Materialien haben sich durchgesetzt in der Küche?
Beim Bodenbelag findet Parkett mit gebürsteter und geölter Oberfläche trotz des hohen Pflegeaufwands immer mehr Freunde, auch ein Zeichen dafür, dass die Küche wohnlicher geworden ist. Daneben sind fugenlose Böden oder übergrosse Feinsteinplatten angesagt. Und: Industriematerialien sind salonfähig geworden. Edelstahl zum Beispiel definiert die Küche als professionellen Raum. Farbige Gläser, Kunststein und Corian – als Arbeitsflächen oder als Rückwände – setzen heute die Akzente. Bei den Fronten sind Lacke aller Art gefragt. Hochglanz, bringt modernes Lifestyle-Gefühl in die Küche. Da Farbe durch das offene Wohnen deutlich Präsenz zeigt, gehe ich in der Küche dieses Thema immer zurückhaltend an. Denn jede auffällige Farbe trägt ein Verfallsdatum in sich. Eine weisse Küche ist einfach zeitloser. Kleine Küchen in engen Raumverhältnissen werden durch Farbe geradezu erdrückt.

Wie sieht eigentlich Ihre eigene Traumküche in etwa aus?
Meine Traumküche, die ich für mich noch nicht verwirklichen konnte, ist hell und gross. Die Technik sollte möglichst unauffällig sein. Ich persönlich bin kein Fan von Gastro-Küchen. Trotzdem würde ich mir einen 90-Zentimeter-Backofen gönnen. Ich möchte eine wohnliche, emotionale Küche, in der auch Kinder spielen können. Schön wäre ein separater Stauraum, also ein weniger repräsentativer Ort in der Küche, der auch verschliessbar ist. Für eine kleine Anrichte müsste Platz sein, auch ein offener Grill würde auf dem Wunschzettel stehen. Auf jeden Fall hat es nicht zu viel Schnickschnack in meiner Traumküche.

Was raten Sie Bauherren, die eine Küche planen?
Wichtig ist, dass sie zuerst die eigenen Bedürfnisse definieren, dass sie sich Zeit nehmen, diese auch schriftlich zu formulieren. Dann sollten sich die Bauherren überlegen, wie sie am besten aus den Erfahrungen lernen können: „Worüber habe ich mich bisher geärgert, wo passt der Ablauf beim Kochen nicht? Wenn man ohne Beeinflussung von aussen innerhalb der Familie die zentralen Aspekte geklärt hat, geht es ans Sammeln von Informationen. Messen und Ausstellungen bieten sich da an, Zeitschriften und eventuell auch das Internet. Nach meiner Erfahrung ist auch die professionelle Beratung durch nichts zu ersetzen. Gemeinsam mit einem Fachmann lässt sich vor Ort einfach besser ein Raumgefühl entwickeln. Was bietet der Raum, wo gibt es Beschränkungen? Ein Copy-Paste aus einem Küchenstudio funktioniert nicht. Stattdessen ist eine individuelle Lösung gefragt, die auf Raumverhältnisse, die eigenen Bedürfnisse und natürlich auf das Budget zugeschnitten ist.

Wieviel Zeit verbringen Sie persönlich in der Küche?
Ich bin ein sehr häuslicher Mensch. In unserer Familie mit den zwei Kindern ist die Küche der Knotenpunkt. Auch wenn ich durch den Beruf unter der Woche wenig zum Kochen komme und mich auch nicht ums tägliche Einkaufen kümmern kann.

Was kochen Sie am liebsten und welche Geräte benutzen Sie?
Ich backe sehr gerne und achte auf saisonale Ernährung. Viele Gerichte mache ich im Backofen. Deshalb ist für mich ein zweiter Backofen, ein Kombi-Gerät mit Steamer, unersetzbar. Ich lasse mich auch gerne von Spitzenköchen mit ihren leichten Gerichten inspirieren. Das Auge isst natürlich immer mit.